Francis Poulenc (1899-1963): Quatre motets pour un temps de pénitence (1938-39)

Die Texte

1. Timor et tremor
Timor et tremor venerunt super me; et caligo cecidit super me miserere mei Domine miserere quoniam, in te confidit anima mea.
Exaudi Deus deprecationem meam quia refugium meum es tu et adjutor fortis Domine invocavi te non confundar.
[Furcht und Zittern kamen über mich und Finsternis überfiel mich, erbarme dich meiner, Herr, erbarme dich, denn meine Seele vertraut auf Dich.
Gott, erhöre mein Flehen, denn du bist meine Zuflucht und mein starker Helfer, o Herr. Ich rufe dich an und werde nicht verderben.]

2. Vinea mea electa
Vinea mea electa, ego te plantavi: quomodo conversa es in amaritudinem, ut me crucifigeres et Barrabam dimitteres.
Sepivi te et lapides elegi ex te et aedificavit turrim.
[Mein erwählter Weinberg, ich habe Dich gepflanzt: Warum bist Du bitter geworden, dass Du mich kreuzigst und Barrabas loslässt? Ich umfriedete Dich und entfernte die Steine aus Dir und erbaute einen Turm.]

3. Tenebrae factae sunt
Tenebrae factae sunt, dum crucifixissent Jesum Judaei: et circa horam nonam exclamavit Jesus voce magna: Deus meus, ut quid me dereliquisti? Et inclinato capite emisit spiritum.
Exclamans Jesus voce magna: Pater in manus tuas commendo spiritum meum.
[Finsternis brach ein, als die Juden Jesum kreuzigten. Und in der neunten Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und neigte das Haupt und gab den Geist auf.
Jesus rief mit lauter Stimme und sprach: Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.]

4. Tristis est anima mea
Tristis est anima mea usque ad mortem: sustinete hic, et vigilate mecum: nunc videbitis turbam, quae circumdabit me.
Vos fugam capietis, et ego vadam immolari pro vobis.
Ecce appropinquat hora et Filius hominis tradetur in manus peccatorum.
[Meine Seele ist betrübt bis an den Tod, wartet hier und wachet mit mir: dann werdet ihr die Schar sehen, die mich umzingelt.
Ihr werdet die Flucht ergreifen, und ich werde für Euch geopfert werden.
Sehet, die Stunde ist nahe und der Menschensohn wird in die Hände der Sünder überantwortet.]

Zum Werk:

Francis Poulenc schrieb seine "Quatre motets pour un temps de pénitence" zwischen Juli 1938 und Januar 1939. Den Motetten 2, 3 und 4 liegen drei Responsorien der Matutin der Karwoche zugrunde. "Timor et tremor" benutzt Verse aus den Psalmen 54 und 30, die Poulenc wahrscheinlich der gleichnamigen Motette von Orlando di Lasso entnommen hat. Poulenc bedient sich in den Motetten einer madrigalistischen Schreibweise mit bildhafter Ausdeutung einiger Textstellen.
In der letzten Motette findet sich ein Sopransolo: Über einem Orgelpunkt auf G vereinigen sich Chor und Solostimme zu einer wehmütigen Litanei.
[Ingo Schulz ]

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